"Manchmal will man auf und davon!" - Erschöpfte Familien in der Pandemie

"Manchmal will man auf und davon!" - Erschöpfte Familien in der Pandemie

Ein Gastbeitrag von Pia

Pia eine erschoepfte Mama

Die Pandemie fordert unsere fünfköpfige Familie (ein Fünfjähriger, zweijährige Zwillinge) auf so vielen verschiedenen Ebenen, dass wir sehr, sehr erschöpft sind.

Unsere Zwillinge wurden Ende 2019 geboren, in eine Wohnung, die viel zu klein für uns war. Die erste Zeit, das ganze erste Jahr eigentlich, war furchtbar hart. Mir ging es streckenweise überhaupt nicht gut, ich habe nur funktioniert. Und dann kam die Pandemie noch mittenrein. Mit viel Glück haben wir ein Haus mit Garten gefunden, das wir ab Frühjahr 2020 mieten konnten und dessen Vermieter uns so oft entgegengekommen sind. Wir konnten früher einziehen, als geplant, der Preis ist wirklich unschlagbar. Kurz danach waren wir erst einmal für zwei Wochen in Quarantäne, weil unsere Hebamme zu einer der ersten Corona-Infizierten gehört hat. Zum Glück hatten wir da schon einen Garten. Wenn sich das alles nicht so glücklich gefügt hätte, ich glaube wir, wären im Laufe der folgenden Zeit kaputtgegangen.

Die Organisation des Alltags ist kaum noch zu stemmen

Seitdem sind wir gefühlt abwechselnd in Quarantäne oder mindestens eines der Kinder ist krank. Dazu haben mein Mann und ich beide Jobs, die wir nicht im Homeoffice erledigen können. Ich bin Lehrerin, er LKW-Fahrer. Da die Kinder gezwungenermaßen bei mir mitversichert sind, da ich VOR meiner Mutterschaft zu viel verdient habe, bekomme ich nur die üblichen Kind-Kranktage, mein Mann keine. Das ist mir völlig unverständlich. Es ist noch in der Schwebe, aber wir kämpfen darum, dass ich dann, wie Alleinerziehende auch, die doppelten Kranktage bekomme. Aber auch die reichen, sind wir mal ehrlich, kaum aus. Hier vor Ort haben wir Leihgroßeltern, die Eltern einer sehr guten Freundin, die auch gerne öfter mal helfen würden. Aber in der aktuellen Situation ungeimpfte Kinder zu älteren Leuten stecken, können wir eigentlich nicht verantworten.

Dazu kommt, dass in meiner Schule immer mehr Kollegen und Kolleginnen ausfallen. Sie können einfach nicht mehr, auch die jungen. Sie werden entweder krank oder schmeißen hin. Also habe ich schweren Herzens mein Stundenkontingent noch erhöht. Ich bin oft so erschöpft, dass ich abends um 20.00 Uhr gemeinsam mit den Kindern einschlafe. Dadurch, und durch die viele Planerei, das ständige Umorganisieren fehlt uns Zeit für uns als Familie und noch mehr als Paar. Ich glaube, wir hatten seit Beginn der Pandemie zwei Abend für uns, an denen wir mal essen gehen konnten.

Es fehlen ein Ausgleich zur Erschöpfung und eine Perspektive

Alle von uns hätten so sehr eine Auszeit nötig. Ich habe mich um eine Mutter-Kind-Kur bemüht, die aufgrund meines Status als Privatversicherte allerdings nicht von der Kasse übernommen wird. Wir müssten für drei Wochen 1.800 Euro pro Kind zahlen. Dafür reicht unser Einkommen einfach nicht aus. Aus dem Urlaubszuschuss für Familien fallen wir aber auch raus, weil wir da wiederum zu viel verdienen.

Ich frage mich oft, wie das in anderen Familien funktioniert, die immer berichten, dass es alles ganz gut klappt und bei denen es zusätzlich aussieht wie im IKEA-Katalog. Sprechen sie nicht über ihre Sorgen, oder bin ich einfach nicht „genug“? Da beginnt man natürlich, an sich selbst zu zweifeln, auch wenn man weiß, dass man sein bestes gibt. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, hier ganz offen von unserer Situation zu berichten. Andererseits versuchen wir uns auch von denen abzugrenzen, die nur noch schwarzmalen. Wenn man sich da mit reinziehen lässt, gerät man ganz schnell in eine Abwärtsspirale, und das versuche ich für unsere Familie zu vermeiden.

Unsere persönlichen Selbsthilfe-Ideen

Hier einige Anregungen, was uns hilft, trotz allem durchzuhalten und auch immer wieder das Familienleben zu genießen. Das sind meine Erfahrungen, aber vielleicht ist ja für die ein oder andere etwas Inspiration dabei:

  • Wir haben eine Art Quarantänegemeinschaft mit einer anderen Familie gegründet, die ebenfalls drei Kinder hat. Einmal in der Woche schaffe ich es, mit der Mutter gemeinsam Yoga zu machen.
  • Wir musizieren viel gemeinsam, wenn sich ein Zeitfenster ergibt. Sogar meinem Mann, der anfangs nicht so begeistert war, gibt das viel Kraft.
  • Wir haben umgeräumt und in ein leeres Kinderzimmer das Outdoor-Klettergerüst samt diverser Matten und Kissen gepackt. Hier können die Kinder ihre überschüssige Energie loswerden, denn alle Sportkurse etc. können ja nicht mehr stattfinden.
  • Vor Kurzem war ich mal wieder allein in der Kirche. Eine knappe Stunde Ruhe, sitzen und abschalten. Das hat unglaublich gut getan.
  • Mein Beruf gibt mir im Moment auch sehr viel, weil ich merke, wie ich den Kindern helfen kann. Mein Fach, Religionslehre, kommt mir da zugute. Es ist kein Kernfach, ich bin flexibler und kann auf die Ängste und Sorgen der Kinder eingehen. Dieses Miteinander schafft einen guten Ausgleich für alle negativen Gedanken.

Dankbarkeit

Wir versuchen dankbar zu sein, für das was wir haben. Denn das ist eine Menge. Ich genieße es, zu sehen, wie die Geschwister, trotz der üblichen Streitereien, zu einer richtigen Gemeinschaft zusammenwachsen. Und dennoch: In manchen Momenten habe ich das Gefühl, ich halte das nicht länger aus. Dann möchte ich meine Sachen packen und auf und davonlaufen. Erstaunlicherweise geht es dann aber doch immer weiter, Tag für Tag und Stück für Stück.

Ich bin mir sicher, dass es sehr vielen Familien, sehr vielen Müttern so geht. Dieser Erfahrungsbericht trägt hoffentlich ein Stück dazu bei, dass sie sich nicht so alleine fühlen, wie ich streckenweise.


Wenn es dir wie Pia geht, du aber allein nicht mehr aus der Erschöpfung findest, dann suche dir Hilfe!
Ansprechpartner*innen und Adressen findest du auf unserer Hilfe-Seite:

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