Feminismus und Mutterschaft

Feminismus und Mutterschaft

„Mutter, schafft“ von Linda Biallas – eine Rezension

… [ich] habe mich dazu entschieden, ein Kind zu bekommen – und von allen Wahrheiten darüber, was man als Frau in unserer Gesellschaft alles so schaffen kann, war plötzlich keine mehr wahr.

Linda Biallas: Mutter, schafft, S.18

Ich, Katharina, habe die gleiche Erfahrung gemacht wie Linda Biallas: Als ich Mutter wurde, wurde ich (noch mehr) Feministin. Vielleicht wurde ich, anders als die Autorin, gerade erst dann zur Feministin. Weil ich gemerkt habe: Huch, an jeder Ecke bin ich als Frau und Mutter immer noch benachteiligt. Es gibt so viele blinde Flecken in der Politik, an so vielen Stellen werden Frauen und Mütter nicht gesehen, nicht mitgedacht und oft ganz offen degradiert. Die Erwartungen an uns steigen – Care-Arbeit und Lohnarbeit sollen wir bitte parallel leisten und von beiden gerne mehr – während die Rahmenbedingungen das nicht hergeben. Aktuell werden Betreuungszeiten überall gekürzt, während die Politik fordert, wir Frauen sollen mehr arbeiten. Dabei ist Vereinbarkeit schon jetzt eine leere Worthülse. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Eine mütterfeindliche Gesellschaft

Linda Biallas schreibt deshalb über die strukturelle Diskriminierung von Frauen und vor allem Müttern auf dem Arbeitsmarkt, über fehlende finanzielle Möglichkeiten, über fehlende Solidarität mit Alleinerziehenden und die wirtschaftliche Unsicherheit von Frauen, über den Müttermythos und Momshaming, über Kapitalismus und Patriarchat, über die Ausbeutung der Arbeitskraft als Frau und die Mütterfeindlichkeit unserer Gesellschaft. (Und über noch viel mehr!)

Mütterfeindlichkeit ist, dass Mutterschaft gleichzeitig ein Mehr an Aufgaben und ein Weniger an Zugang zu Ressourcen bedeutet, das dann durch Anstrengung wieder ausgeglichen werden soll, obwohl das gar nicht möglich ist, weil die Strukturen das gar nicht hergeben.

Linda Biallas: Mutter, schafft, S.145

Es ist erstaunlich, wie umfassend sie das komplexe Thema behandelt und wie leicht man ihr dabei folgen kann. Sie erläutert ganz nebenbei wirtschaftliche Zusammenhänge und historische Bezüge, verknüpft sie mit eigenen Erfahrungen und denkt gleichzeitig andere Lebensrealitäten mit. Die beiden großen Themen von Mamafürsorge – das Dorf das schlechte Gewissen – spielen dabei immer wieder eine Rolle, zum Beispiel, wenn es um Außer-Haus-Betreuung geht: Biallas macht klar, dass das schlechte Gewissen diesbezüglich deshalb zustande kommt, weil sie als Fremdbetreuung geframet wird, obwohl sie doch gerade so wichtig wäre, um unser Dorf zu ergänzen.

Neue Wege zum guten Leben oder: feministische Mutterschaft

Immer wieder hinterfragt sie: Was ist eine „gute Mutter“? Was wird von uns Müttern erwartet? Warum? Und warum macht uns das so kaputt? Sie rüttelt an gesellschaftlichen Strukturen, deckt Missstände auf und zeigt klar, wo der Kapitalismus an seine Grenzen kommt.

Ihre Lösung? Die ist nicht einfach und sie ist durchaus radikal. Aber ist es nicht genau das, was wir brauchen, wenn wir Veränderung wollen? Diejenigen, die weiter denken, die offen sind, die kritisieren, die in aller Deutlichkeit aussprechen, was schiefläuft, die den Finger in die Wunde legen und neue Alternativen anbieten, für ein besseres Leben. Ich finde: ja!

In letzter Konsequenz heißt das, der große Druck führt vor allem dazu, dass Mütter sich schlecht fühlen, und das ist scheiße.

Linda Biallas: Mutter, schafft, S.144

Wir haben mit Linda in unserem Podcast über ihr Buch gesprochen. Hör doch mal rein!


Linda Biallas: Mutter, schafft. Die Rolle der Mutter im Kapitalismus und Patriarchat: Ein Aufruf zur Revolution.

Haymon 2022

Danke an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Keinen Artikel mehr verpassen?

Erhalte E-Mail-Benachrichtigungen über neue Blogartikel, direkt nach Veröffentlichung.

Wir senden keine Werbung, keinen Spam! Die E-Mail-Adresse wird ausschließlich zum hier angegebenen Zweck verwendet. Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte prüfe deinen Spam-Ordner, wenn du keine Bestätigungsmail erhältst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert