Manifest für ein neues Rollenverständnis

Manifest für ein neues Rollenverständnis

Rezension: Mythos Mutterinstinkt

Dass es keinen Mutterinstinkt gibt, haben wir unseren Büchern immer wieder erwähnt und auch kurz erklärt, warum. Eine ausführliche, augenöffnende und absolut empfehlenswerte Erklärung findet ihr im neuen Buch von Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner: „Mythos Mutterinstinkt. Wie moderne Hirnforschung uns von alten Rollenbildern befreit und Elternschaft neu denken lässt“.

Wir sind keine Superheldinnen – und müssen es auch nicht sein

Sie selbst nennen ihr Buch „… ein Manifest für eine gesunde Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die Müttern den Superheldinnen-Umhang auszieht.“ Und genau so etwas brauchen wir, um den Müttern die Last von den Schultern zu nehmen, immer perfekt sein zu müssen. Dazu erzählen sie auch eine Geschichte. „… eine Geschichte von Männern. Für Männer. Über Frauen.“ Denn Männer waren es, die den Mutterinstinkt propagiert und hofiert haben, Männer wie Rousseau und Freud, denen das Patriarchat gut gelegen kam, das uns in die aufopferungsvolle Mutterrolle drängen will.

Die Mutter ist die Verkörperung patriarchaler Ideale und Überzeugungen, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben.

Rösler/Höllrigl Tschaikner: Mythos Mutterinstinkt, S.42

Das „Mama-Hirn“

Zum Glück weiß die Hirnforschung inzwischen ganz genau, dass das alles Unsinn ist. Sie kann belegen, dass es diesen Mutterinstinkt nicht gibt, sondern dass wir alle in unserem eigenen Tempo in diese Rolle hineinwachsen, die uns vielleicht liegt, uns glücklich macht, die uns aber auch schwerfallen kann oder die wir bereuen können. In unserem Hirn ändert sich ab der Schwangerschaft unglaublich viel – in gewissem Maße auch bei Vätern. Deshalb kann man  wie die Autorinnen erläutern, zwar von einem menschlichen Fürsorgeinstinkt sprechen, aber keinesfalls von einem weiblichen Mutterinstinkt. Bei Frauen stößt die Biologie diesen Umbauprozess an, bei Männern verursachen die Umstände einen erst den biologischen Prozess. Genetik UND unser Umfeld prägen, wie wir uns als Mütter fühlen, wie es uns in dieser Rolle geht und wie wir sie leben. Das Buch macht deutlich: Konflikte zwischen Eltern und Kind, zwischen den Eltern und in der Mutter selbst sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. „… auch jene Konflikte, die schmerzhafter sind. Tiefer liegen.“ Unter anderem, weil gesellschaftliche Vorstellungen von Mutterschaft und die Realität derselben sich oft diametral gegenüberstehen.

Ohne Mutterinstinkt geht es uns besser

Ist das deprimierend? Bei mir löst diese Tatsache eher Wut aus. Darüber, dass wir es besser wissen, dieses Wissen aber im Alltag noch nicht angekommen ist. Denn, da sind sich die Autorinnen sicher, diese Erkenntnisse liefern die Chance dafür, dass sich endlich etwas ändert.

Dass Mütter unterstützt werden, dass sie endlich das berühmte Dorf bekommen, das es braucht, um ein Kind zu erziehen. Dass wir unseren Blick auf Sorgearbeit verändern. Dass wir die Verantwortung gleichberechtigter aufteilen. Dass wir solidarischer sind und individuelle Wege eher anerkennen.

Der Blick in die Geschichte, den das Buch wagt, und die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, die es nachvollziehbar erläutert, bilden die Basis dafür, dass wir uns nicht mehr schuldig fühlen müssen, wenn wir als Mutter „nicht genügen“ – denn: Die Ansprüche sind nicht zu erreichen. Wir sind gut genug!

Wir wünschen uns ein breites Spektrum, in dem Eltern sich bewegen dürfen.

Rösler/Höllrigl Tschaikner: Mythos Mutterinstinkt, S.205

Ein wichtiges Buch! Ein augenöffnendes Buch! Ein Buch, das Schuldgefühle kleiner werden lässt, Gefühle erklärt und Mut macht, dass wir gemeinsam etwas ändern können. Danke!

Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner:
Mythos Mutterinstinkt
Wie moderne Hirnforschung uns von alten Rollenbildern befreit und Elternschaft neu denken läss
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Kösel, Mai 2023
ISBN: 978-3466312023
240 Seiten
18,00 € [D]

Danke an den Kösel Verlag für das Rezensionsexemplar.

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