Zerreißprobe: Einschlafbegleitung

Zerreißprobe: Einschlafbegleitung

Hilfe, mein Kind schläft nicht … Teil 2

Ist das Thema Durchschlafen nicht mehr akut, nimmt ein neues seinen Platz ein: das Einschlafen. Das scheint mit zunehmenden Alter immer schwieriger zu werden. Auch wenn unzählige Eltern zu hören bekommen, dass sei ein hausgemachtes Problem, steckt auch dahinter die Evolution: Das kindliche Gehirn verbindet Dunkelheit mit Gefahr und meldet sofort ein Sicherheitsbedürfnis an. Was hilft in diesem Moment? Die Nähe zu einer wichtigen Bezugsperson! Alleine einschlafen ist also eine ganz schön große Herausforderung. Eine lange Einschlafbegleitung allerdings ebenfalls, und zwar für dich. Du kommst nämlich gerne mal an deine Grenzen, immerhin zerren in jedem Moment des Tages so viele Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen an dir, dass du es dir in dieser hektischen Zeit kaum leisten kannst, eine Stunde (oder mehr) nur ruhig dazuliegen und dein Kind in den Schlaf zu begleiten. Das schlechte Gewissen kommt dann auf verschiedenen Pfaden zu dir: entweder, weil du wütend und laut geworden bist, weil das Kind einfach nicht einschlafen will, oder weil du glaubst, dass du irgendetwas falsch machst. Irgendwann und irgendwie muss dieses Kind doch einschlafen! 

Wenn es schwierig wird, ist die Innere Kritikerin nicht weit…

Wenn du ein schlechtes Gewissen hast, weil du laut und wütend geworden bist, wollen wir dir sagen: Es geht uns fast allen irgendwann so. Wir können gar nicht mehr zählen, wie oft wir schon gelesen oder gehört haben, wie sich Mütter über Einschlafbegleitung auslassen und darüber, dass sie irgendwann verzweifelt Hände ringend das Zimmer verlassen mussten und der Papa übernehmen musste. Auch uns ist es schon so ergangen. Wechsle dich, wenn möglich, mit deinem Partner ab. Sorge für genügend me-time, damit nicht das Gefühl aufkommt, dein Kind stehle dir deine wenige freie Zeit. Da würde schließlich jede*r wütend werden.  

„Wir haben es mit allein einschlafen versucht, da war Ayla knapp 3 Jahre alt. Immer und immer wieder ist sie auf dem Schlafzimmer gekommen. Noch was trinken, nochmal aufs Klo, noch eine Geschichte, nochmal Hunger. Sie fand immer irgendwas, um nochmal aufzustehen und mein Mann und ich hatten keinen ruhigen Abend. Irgendwann nervte mich das ganze so sehr, dass ich ausflippte. Am nächsten Tag beschloss ich, nochmal einen Schritt zurück zu machen. Ich wollte zwar nicht mehr stundenlange neben ihr liegen und warten, aber ich setzte mich zu ihr ins Schlafzimmer und las, bis sie eingeschlafen war. Verschieben wir das Alleine-Einschlafen eben noch ein wenig.“

Hediye, Mutter einer Tochter (3)

Du hast Sorge, weil das Einschlafen nicht klappen will und gibst dir die Schuld daran? Dann denke bitte nochmal daran, wie unterschiedlich wir Menschen in Bezug auf Schlaf sind. Es gibt Nachteulen und die frühen Vögel. Dann sind da die Menschen, die in jeder Position zu jeder Zeit einfach einschlafen können und die, die sich stundenlang wälzen. Und dann noch tiefe und leichte Schläfer*innen, wilde Träumer*innen und Menschen, die angeben niemals zu träumen. Die eine Person wacht auf und liegt noch genau in der Position da, wie sie eingeschlafen ist, während eine andere im Laufe der Nacht das ganze Bett durchpflügt. Dann kommt noch hinzu, dass nicht jeder Tag gleich ist. Manche sind anstrengender als andere, was entweder zu einer angenehmen Erschöpfung und schneller Nachtruhe führt oder aber mit vielen Reizen einhergeht, die am Abend noch verarbeitet werden müssen. Die Überreizung ist vor allem phasenweise ein Problem für dein Kind, beispielsweise vor und während Entwicklungssprüngen. Du bist also nicht allein verantwortlich für den Kinderschlaf. Wahrscheinlich wusstest du das schon, nur deine innere Kritikerin musste daran erinnert werden. Wir wollen dir aber gerne einige Tipps mitgeben, die euch helfen könnten, sollte Schlaf bei euch aktuell ein schwieriges Thema sein.

Viele Wege führen ins Bett

Eure Schlafsituation ist individuell und familiär verschieden, nur ihr könnt einschätzen, was euch hilft und gut tut. Nehmt also aus den folgenden Impulsen mit, was sich für euch stimmig anfühlt und lasst hier, was nicht in euer Familienleben passt. Oder vielleicht noch nicht. 

  • Denkt an verschiedenste räumliche Konstellationen im Rahmen eurer Möglichkeiten. Ein großes Familienbett, einzelne Betten im selben Raum, ein Geschwisterbett, eine Aufspaltung zwischen Mama und Papa mit je einem oder mehreren Kindern. Es muss nicht, kann aber, das klassische „Kinderzimmer und Elternschlafzimmer“-Modell sein. Gut ist, was euch gut tut.
  • Das Sicherheitsbedürfnis vieler Kinder profitiert von Vorhersehbarkeit und dem Gefühl, etwas bewirken zu können. Ein strukturierter Alltag inklusive abendlicher Routine kann da Gold wert sein. 
  • Versuch dich selbst in der Einschlafbegleitung zu entspannen. Beruhige deine Atmung und stelle dir vor deinem geistigen Auge vor, wie Wasser an den Strand gespült wird, wenn du ausatmest und sich wieder vom Strand zurückzieht, wenn du einatmest. Deine Entspannung kann sich auf dein Kind übertragen. Wenn das Kind älter ist, könnt ihr das auch gemeinsam tun. Einschlafmeditationen oder –musik für Kinder helfen vielleicht auch dir, in diese Situation Ruhe zu bewahren. 
  • Besonders vielversprechend, so die aktuelle Studienlage, ist eine Kombination aus warmen Bad und Massage. Die Wärme entspannt und der Körperkontakt hilft dem Kind, zur Ruhe zu kommen. Für die meisten Kinder ist Körperkontakt bei starken Gefühlen und Unruhe eine wichtige Unterstützung. 
  • Kinder brauchen meist eine gewisse Menge an Schlaf, die innerhalb von 24 Stunden abgedeckt werden muss. Beobachte das mal über 2-3 Wochen, um herauszufinden, wie viele Stunden es bei deinem Kind sind. Braucht dein Kind aktuell beispielsweise 12 Stunden Schlaf und macht 3 Stunden Mittagsschlaf, dann fehlen noch 9 Stunden Nachtschlaf, um ausgeruht zu sein. Dauert es abends dann besonders lange mit dem Zubettgehen, kann es sinnvoll sein, den Mittagsschlaf zu verkürzen und nach und nach wegzulassen. Vier Stunden vor der gewünschten Schlafenszeit sollte kein Schläfchen mehr stattfinden, damit das Kind zur Schlafenszeit auch wirklich müde ist. 

Das Kind Aufwecken?!

„Man weckt nie ein schlafendes Kind!“ – eine goldene Regel unter Eltern. Aber ist sie richtig?

Eine angespannte abendliche Einschlafsituation kann dazu führen, dass du darüber nachdenkst, dass Nachmittagsschläfchen oder den Mittagsschlaf zu kürzen oder zu streichen. Dafür musst du dein Kind wecken oder vom Schlafen abhalten. Wenn du es weckst, achte darauf, dass du es, wenn möglich, zu einem Zeitpunkt weckst, zu dem das Kind gerade unruhig wird. Auch der Mittagsschlaf ist phasenweise unterschiedlich tief und wenn du einen Moment erwischt, in dem der Schlaf nicht so tief ist und das Kind sich vielleicht gerade dreht, umbettet usw., wird das Kind sanfter wach. Schaffst du die Schläfchen untertags komplett ab, sorge für andere Erholungspausen, wie etwas Kuschel- und Vorlesezeit nach der Kita oder ähnliches. 

Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, wenn du etwas regulierend auf das Schlafverhalten deines Kindes eingreifst und es ganz sanft weckst, um damit die Schlafsituation insgesamt entspannter zu gestalten. Dein Kind wird sich in kurzer Zeit umgestellt haben und den Schlafbedarf dann nachts abdecken. 

Das kannst du tun

  • Die Zubettgehzeit sollte sich am Schlafbedarf und der Aufstehzeit orientieren. Ein munteres Kind ist sehr schwer ins Bett zu bringen, auch wenn du verständlicherweise Feierabend haben magst. Und jeden Morgen ein furchtbar müdes Kind wecken zu müssen, ist auch kein Spaß. Hier hilft dir der Blick auf die kindlichen Bedürfnisse. 
  • Nutzt die abendliche Zweisamkeit vielleicht noch für ein ruhiges Gespräch, in welchem ihr den Tag Revue passieren lasst. Das kann dem Kind helfen, den Tag abzuschließen und die Gedanken zu sortieren. Und für dich als Elternteil kann es ein wertvoller Blick in die Gedankenwelt deines Kindes sein, durch den du erfährst, was es beschäftigt. 
  • Sehr aktive Kinder profitieren von einer Abendroutine, bei der ihr nicht sofort von aktiv auf ruhig umschaltet, sondern bei der ihr das Aktivitätslevel langsam senkt. Richtet euch dafür vielleicht eine Gute-Nacht-Kiste, in der noch zwei oder drei Spiele drin sind, ein paar Bücher und/oder ein Hörbuch. Nach einem Spiel, dass sich das Kind aussuchen darf, folgt vielleicht noch ein Mitmachbuch (da gibt es ganz nette zum Thema) und dann das Hörbuch. Das ist nur ein Beispiel, um zu zeigen, wie man Kinder schrittweise zu Entspannung verhelfen kann. 
  • Kuscheltiere sind für viele Kinder treue Begleiter und spielen eine wichtige Rolle, wenn es um Ein- und Durchschlafen geht. Sie sind sogenannte „Übergangsobjekte“ und helfen den Kindern besser mit der Trennung von den Eltern umzugehen. Denn Schlafen ist für Kinder jedesmal wieder mit Loslassen und Trennen verbunden. 
  • Wenn ihr von Einschlafbegleitung auf alleine einschlafen umsteigen wollt, dann empfehlen wir einen Schritt-für-Schritt-Rückzug. Statt daneben zu liegen, kannst du vielleicht erstmal auf der Bettkante sitzen. Dann auf den Sessel neben dem Bett (oder auf einer Decke am Boden) und dort ein Buch lesen, bis das Kind eingeschlafen ist. Schließlich auch mal kurz das Zimmer verlassen, aber verlässlich nach 5 Minuten wieder kommen. So kann man einen sanften Ablöseprozess gestalten. Auch das Bindungsband (siehe weiter vorne) kann dabei sehr hilfreich sein. 
  • Kinder sind meist sehr fantasievoll. Meditative Fantasiereisen, mit zunehmenden Alter auch Yoga-Übungen und Traumreisen, können dem Kind helfen, sich zu entspannen. Erst durch dich angeleitet, zum Beispiel mit Hilfe eines Buches. später dann vielleicht sogar alleine. Eine Entspannungstechnik zu beherrschen ist sehr wertvoll und nützlich. 
  • Und dann wäre da noch die Möglichkeit des selbstbestimmten Zubettgehens. Das geht so ab dem dritten Lebensjahr. In diesem Fall kann das Kind selbst entscheiden, wann es müde ist und ins Bett gehen möchte. Bis dieser Zeitpunkt gekommen ist, darf es noch spielen. Du (oder dein Partner) stehst aber nicht mehr als Spielkamerad*in zur Verfügung, sondern gehst eigenen Tätigkeiten nach. Langfristig lernt das Kind dadurch einen gesunden Umgang mit dem eigenen Schlafbedürfnis. 

Kennst du schon unseren ersten Teil zum Thema „Durschschlafen“? Oder unser Buch zum Thema „Schlechtes Gewissen“?

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