Milchbar – Ein Roman über postpartale Depressionen

Milchbar – Ein Roman über postpartale Depressionen

Ein Roman über Wochenbettdepressionen. Das ist „Milchbar“ von Szilvia Molnar, übersetzt von Julia Wolf. Und was für einer. Aus meiner Sicht ist es nicht das erste Buch, dass dieses Tabu auch aus literarischer Perspektive bricht (siehe zum Beispiel „MTTR“ von Julia Friese oder „Mom Rave“ von Liza von Flodder), wie in einigen Besprechungen zu lesen ist, aber ein ebenso wertvolles. Ich habe mich beim Lesen mehrmals in die Zeit zurückversetzt gefühlt, als es mir ähnlich ging. Und mir mehr als einmal gedacht, wie sehr ich mir für die namenlose Protagonistin wünschen würde, dass jemand erkennt, in welche Lage sie sich befindet.

Endlosigkeit

Der Roman begleitet eine frischgebackene Mutter in den ersten Tagen und Wochen mit ihrem Baby. Dabei kommt diese kurze Zeit einem beim Lesen unglaublich viel länger vor – wie der Mutter auch. In den kurzen Rückblicken in die Zeit ihrer Schwangerschaft, stellt sie fest:

Noch ist uns nicht klar, dass von nun an Zeit die Hauptrolle und den Sündenbock in unserem Leben spielen wird.

Szilvia Molnar: Milchbar, S.144

Und während sie mit ihrem Körper kämpft, der sich nur langsam erholt, und der dafür sorgt, dass simple Vorgänge wie kacken und duschen zur Herausforderung werden, der zur Milchbar geworden ist, lesen wir:

Nach der Geburt verliert die Zeit wohl ebenso ihre Form wie der Körper.

Szilvia Molnar: Milchbar, S.115

Tabus

Diese körperlichen Vorgänge nehmen im Buch so viel Raum ein wie in der Realität. Und das habe ich so tatsächlich noch nirgends gelesen. In dieser Ausführlichkeit, in der der Finger im wahrsten Sinne des Wortes auf die Wunde gelegt wird. Die Autorin benennt, wie es sich anfühlt, mit Dammnaht und Verstopfung, aufgequollenem Bauch und Heißhungerattacken, getränkt von Milch und Schweiß. Nichts wird romantisiert – kämpft doch die junge Mutter genau damit, dass die Erwartungen an die Mutterrolle mit der Realität nur sehr wenig zu tun haben.

Was in aller Welt hätte mich auf all das vorbereiten können?
Wenn es nur einfacher wäre, zu weinen.
Verfickte Fickscheiße!

Szilvia Molnar: Milchbar, S.42

Kunstvoll und auf den Punkt

Und trotzdem ist es ein Genuss, diesen Roman zu lesen. Wenn parallel zur Mutter auch die Wohnung des Nachbarn Moss ansetzt, wenn Tod und Geburt wie selbstverständlich nebeneinander stehen, wenn die von Müdigkeit bestimmten Gespräche mit ihrem Partner ins Leere laufen, wenn wir als Leser*innen Listen von Google-Suchbegriffen sehen, die uns den Atem stocken lassen.

Das Wochenbett ist intensiv. Dieser Roman ist es ebenfalls. Lesen!

Szilvia Molnar: Milchbar
Aus dem Amerikanischen von Julia Wolf
18.04.2023
ISBN 978-3351051068
22,00 € [D]

Vielen Dank an Blumenbar für das Rezensionsexemplar.

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