… aber es hat sich so angefühlt. Die ersten Wochen und Monate mit Baby können einsam sein. Eine postpartale Depression auch. Dabei muss das gar nicht sein: Es gibt viele Leidensgenossinnen. Wir wissen es nur meist nicht, weil niemand darüber spricht.
Der Alltag mit Baby kann einsam machen.
Schon im ersten Wochenbett und vor allem in den Wochen und Monaten danach habe ich mich häufiger allein gefühlt. Nur ich und dieses kleine bedürftige Wesen, das rund um die Uhr seine Mama brauchte. Von außen betrachtet war ich nie mehr allein – innen hat es sich aber oft anders angefühlt. Der ewig gleiche Alltag zwischen Füttern, Wickeln, in den Schlaf begleiten, Wäsche und Haushalt ist ermüdend, eintönig und eben einsam. Zu Hause war niemand, der mir hätte Gesellschaft leisten können.
Damals habe ich es aus eigener Kraft geschafft, an dieser Situation etwas zu ändern. Rückbildung, Pekip-Kurs, offene Krabbeltreffs – es hat sich schnell eine Gruppe von Müttern zusammengefunden, der ich mich anschloss. Bei regelmäßigen Treffen haben wir uns über sämtliche Babythemen ausgetauscht – und auch unsere Sorgen geteilt. Denn zusammen ist man ja bekanntlich weniger allein.
Sich davon zu befreien, kostet Kraft.
Doch nicht jeder Mutter gelingt das auf Anhieb. Manch eine ist zu zurückhaltend, um sich einer Gruppe anzuschließen. Vielleicht finden sich vor Ort keine passenden Angebote. Einige Frauen sind vor allem in den ersten Wochen mit Regeneration und dem Heilen beschäftigt. Oder sie haben ein Kind, das solchen Trubel nicht gut aushalten kann. Es gibt Mütter, die zeitlich voll ausgelastet sind, beispielsweise weil sie zusätzlich Geschwister versorgen müssen. Und wieder andere stecken in einer richtigen Wochenbettdepression, so wie ich nach meiner zweiten Entbindung. Mir fehlte schlicht und einfach die Kraft, mit beiden Kindern das Haus zu verlassen.
Und als ich mit Hilfe von außen schließlich erkannt hatte, dass mehr hinter meiner Traurigkeit steckte als die Erschöpfung nach Schwangerschaft und Geburt oder ein kurzzeitiger Baby Blues, war das Gefühl der Einsamkeit erdrückend. Ich wusste zwar mittlerweile, dass viele Mütter von einer Wochenbettdepression betroffen sind, aber ich kannte außer mir keine. Deshalb habe ich mich nicht getraut, über diese Situation zu sprechen. Rückblickend bin ich mir bewusst, dass das ein Fehler war. Aber nicht meiner. Sondern einer des Systems. Wenn niemand darüber redet, dass die Welt für frischgebackene Mütter nicht immer rosarot ist, ja manchmal sogar tiefschwarz, wie soll es dann der Einzelnen gelingen, dieses Tabu aufzubrechen?
Das Schweigen zu brechen hilft.
Es waren viele Zufälle und eine große Portion Glück, durch die ich schnell Hilfe fand und vor allem: Kontakt zu Müttern, denen es genauso ging wie mir. Ich glaube, dass genau das am meisten dazu beigetragen hat, die Wochenbettdepression als Krankheit zu akzeptieren und in der Folge zu heilen. Sich so verstanden zu fühlen, zu sehen, dass das alles kein Einzelschicksal ist, zu hören und mitzuerleben, wie jemand Schritt für Schritt wieder gesund wird – das hat mir die Energie zurückgegeben, die ich verloren geglaubt hatte. Und vielen anderen auch. Deshalb habe ich von diesem Moment an nicht mehr geschwiegen, sondern von meiner Geschichte erzähl: „Ich habe eine Wochenbettdepression. Das ist ein häufiges Krankheitsbild. Mir ging es sehr schlecht, jetzt habe ich Hilfe und erobere mir Stück für Stück meinen Alltag zurück.“
Erstaunlicherweise habe ich viele Male ähnliche Reaktionen bekommen: „Toll, dass du darüber sprichst. Mir ging es eine Zeit lang auch sehr schlecht“, „Ich fühle mich auch oft allein und überfordert“ oder: „Ich habe mir auch Hilfe geholt.“ Selbst im direkten Umfeld war ich mit meinen Gefühlen nicht allein. Ich hatte es nur nicht bemerkt. Mir war nun klar, dass unabhängig von der postpartalen Depression Einsamkeit, Traurigkeit und Hilflosigkeit unter Müttern weit verbreitet sind. Deshalb spreche ich mittlerweile auch öffentlich über meine Geschichte. Um meine Erfahrungen zu teilen und zu zeigen, dass es Hilfe gibt. Damit sich weniger Frauen so isoliert fühlen müssen. Denn sie sind es nicht.