Ciani-Sophia Hoeder: Wut und böse
Viele Mütter sind im Moment wütend angesichts der aktuellen Lage. Sie fühlen sich alleingelassen und erschöpft. Wütend und müde. #mütend Auch ich gehöre zu ihnen. Wie gut, dass ich die passende Lektüre zu Hause hatte: „Wut und böse“ von Ciani-Sophia Hoeder. Durch ihr Buch habe ich meine Wut, mit der ich mich durchaus schon länger beschäftige, jetzt nochmal ganz neu kennengelernt. Die Autorin fragt darin, warum weibliche Wut so häufig abgewertet wird und warum sie auch in der Geschichte nicht vorzukommen scheint. Sie zeigt außerdem, dass (weibliche) Wut uns helfen kann, Veränderungen anzustoßen und gegen Unterdrückung aufzubegehren. Sie liefert eine Anleitung zum Wütend-Sein.
Unweibliche Wut?
Wut gilt als unweiblich, dabei ist sie das gar nicht. Frauen sind, das zeigt die Forschung, genauso wütend wie Männer – sie werden aber dazu sozialisiert, sie eher zu unterdrücken, für sich zu behalten und herunterzuschlucken. Das beginnt bereits im Alter von drei Jahren. Die Autorin macht ganz deutlich: „Wut ist nicht unweiblich, unattraktiv oder gar egoistisch.“ Sie ist ein ganz normales Gefühl – das uns Frauen aber abgesprochen wird. Wütende Frauen gelten (Freud lässt grüßen) oftmals als hysterisch.
Wir hängen häufig diesem Idealbild einer Frau nach, die über allem schwebt, der man nichts entgegenschleudern kann, weil sie so in sich ruht, dass alles an ihr abprallt. Eine Person, die eigentlich nichts fühlt. Genau dieses Bild einer Frau wird belohnt. Sie ist erstrebenswert, geduldig und sympathisch. Eine Frau, die auf Ungerechtigkeiten aufmerksam macht, für sich einsteht oder Raum einnimmt, gilt als schwierig.
Ciani-Sophia Hoeder: Wut und böse
In diesen Gedanken habe ich mich selbst wiedergefunden und sehe auch deutliche Parallelen zum idealisierten Mutterbild, dem wir häufig zu genügen versuchen. Selbstlosigkeit ist ein falsches Ideal, das nicht nur Müttern, sondern allen Frauen als erstrebenswert verkauft werden soll. Sie lässt uns oft unzufrieden, erschöpft und machtlos zurück.
Wut als Selbstschutz
Dabei hat Wut, so Hoeder, so viele positive Aufgaben: Unter anderem regt sie Veränderungen an und hilft, „Ungerechtigkeit wieder in Balance zu bringen.“ Sie zu unterdrücken, ist ungesund. Sie soll und darf auftreten. Man muss nur aufpassen, sie nicht völlig unkontrolliert auf die Umwelt loszulassen. Je besser unser Selbstwert, desto besser unser Zu- und Umgang mit der eigenen Wut, ist eine von Hoeders Thesen. Eine weitere: So wichtig Selbstfürsorge ist – sie soll nicht dazu dienen, unsere Wut verschwinden zu lassen. Ein spannender und wichtiger Gedanke, wenn man sich mit Selfcare auseinandersetzt.
Mich hat die Kombination aus historischer Spurensuche, Auswertung wissenschaftlicher Studien, eigenen Erfahrungen und Interviews mit Frauen mehrerer Generationen überzeugt. Dabei ist mir ein Gedanke besonders im Gedächtnis geblieben: Wenn wir unsere Wut zulassen, gut mit ihr umgehen, auf sie hören und sie ernst nehmen, zeigen wir auch unseren Kindern, wie Selbstschutz funktionieren kann.
Das Buch ist eine Einladung, die eigene Wut zu ergründen, sie aber auch im gesellschaftlichen Kontext zu sehen und ihr Potenzial zu entdecken. Ich kann es jeder Mutter empfehlen, die manchmal (oder oft) wütend ist. Also allen.
Ciani-Sophia Hoeder
240 Seiten.
€ 18 [D] € 18,50 [A]
hanserblau
Vielen Dank an hanserblau für das Rezensionsexemplar.
CIANI-SOPHIA HOEDER, ist freie Journalistin, SZ-Magazin-Kolumnistin sowie Gründerin und Geschäftsführerin von RosaMag, dem ersten OnlineLifestylemagazin für Schwarze Frauen in Deutschland. Sie studierte Politik und Journalismus in Berlin und London und berichtet über alltäglichen und institutionellen Rassismus, das Dasein als Millennial, intersektionalen Feminismus und Popkultur. Mit dem RosaMag war sie 2020 für den Grimme-Online-Award nominiert.
Ein Plädoyer für Selbstfürsorge – Mamafrsorge
[…] an fehlender Selbstfürsorge, sondern an den Umständen. Ciani-Sophia Hoeder schreibt dazu in ihrem Buch „Wut und böse“ zu den belastenden Folgen der Pandemie […]