Mütter sind auch nur Menschen

Mütter sind auch nur Menschen

Von überzogenen Erwartungen und übersteigerten Idealen

Warst du heute schon auf Instagram? Hast du Fotos gesehen von Brotdosen, die aussahen wie ein Luxus-Catering? Von dreistufigen Geburtstagtorten? Von Kinderzimmern wie aus dem Katalog? Von großen Bastelprojekten und selbstgemachten Bio-Snacks? Vom perfekten Familienausflug im Partnerlook? Vom Homeoffice-Platz, an dem die Kinder in Ruhe spielen, während Mama arbeitet?

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – denn in den (sozialen) Medien wird oftmals in pastelligen Tönen bebildert, was sich als Mutterideal in unseren Köpfen festgesetzt hat: Eine Mutter sprudelt über vor Mutterliebe, ist ständig bereit, ansprechbar, geduldig, belastbar und aufopfernd. Sie ist erfolgreich im Beruf, eine fürsorgliche Mama, Ehefrau und Hausfrau. Sie fördert ihre Kinder, ist Deko-Queen und Bastelprofi. Sie schimpft nie und lächelt immer.

Die Last der Erwartungen

In Summe liest sich das lächerlich und du siehst sofort: Das ist unrealistisch! Aber wir bekommen dieses Bild in kleinen Happen immer wieder serviert und zwar von Kindheit an. In der Werbung, die der Mutter einen klaren Platz zuweist, genauso durch die Erwartungen, die an uns herangetragen werden. Wenn die KiTa sich beispielsweise konsequent bei uns meldet, statt bei den Vätern. Wenn wir für jedes Kuchenbuffet etwas beisteuern und die Laternen in diesem Jahr selbst basteln sollen und wenn uns die Nachbarin fragt, in welchen Sportkurs unsere Kinder eigentlich gehen. Wenn unser Arbeitgeber sich beschwert, dass wir schon wieder aufgrund kranker Kinder ausfallen („Arbeiten Sie doch einfach von zu Hause aus!“) und die Oma anmerkt, man könnte wirklich mehr Aktivitäten am Nachmittag planen, wenn die Kinder schon den ganzen Vormittag „ohne ihre Mama sein müssen.“ Und überhaupt. Wie kommen wir darauf, uns zu beschweren? Schließlich haben wir es uns genauso ausgesucht! Oder etwa nicht?

Das Mutterideal, mit dem wir täglich konfrontiert sind, das die Gesellschaft an uns heranträgt, das aber oft tief in uns selbst verwurzelt ist, ist dabei weder historisch gesehen besonders alt noch kulturell universell. Und es hat mit der Realität wenig zu tun.

Der Supermütter-Mythos

Gehen wir etwas zurück in der Geschichte Westeuropas, sehen wir, dass Mütter bei weitem nicht schon immer die alleinige Bezugsperson und Erziehungs-Verantwortliche waren. Erst mit der Industrialisierung und dem anschließenden Siegeszug der Kleinfamilie entstand diese Erwartungshaltung. Und traf auf eine seit dem 18. Jahrhundert langsam populärer werdende Romantisierung und Idealisierung der Mutterschaft, nach der Mutterliebe automatisch jeder Frau innewohnt. Es folgten eine Stilisierung der Mutterschaft im Nationalsozialismus, ein Rückzug der Frauen ins Private in der Nachkriegszeit und schließlich nach und nach die Erfolge der Frauenbewegung, mit der die Berufstätigkeit von Müttern massiv anstieg.

Langsam aber sicher kam also ein weiteres Ideal dazu: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Erwartung, zwei Rollen gerecht zu werden. Und das in einer Zeit, in der Erziehung immer stärker kindzentriert wurde, Bindung und Bedürfnisse der Kinder mehr in den Fokus rückten – was Kindererziehung heute ungleich zeit- und ressourcenfordernder macht, als sie es je war.

Kollision von Ideal und Realität

Das alles sind Errungenschaften: Mehr Gleichberechtigung, mehr Rechte für Frauen und Mütter, eine zeitgemäßere Erziehung, die das Wohl der Kinder stärker in den Blick nimmt. Aber sie treffen auf zwei große Hindernisse in der Realität:

  1. Mütter sind auch nur Menschen
  2. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht entsprechend angepasst.

Niemand, wirklich niemand kann diesen Erwartungen, dem Bild dieser Super-Mutter gerecht werden. Und dennoch wird es immer weitergetragen. Weil es so fest in uns verankert ist und die äußeren Gegebenheiten so gegen uns arbeiten, dass es eine Kraftanstrengung ist, daraus auszubrechen. Bei vielen von uns ist dieses Bild einer aufopfernden Mutterschaft derart tief verwurzelt, dass wir unseren Selbstwert davon abhängig machen. Eine fatale Wechselbeziehung, vor allem mit dem Wissen darum, dass wir dieses Ideal nie erreichen können.

Und selbst wenn wir „perfekt“ wären: Es gibt nicht genügend passende Betreuungsplätze und die Arbeitswelt nimmt nur selten Rücksicht auf die Bedürfnisse von uns Familien. Das allein verhindert wirkliche Vereinbarkeit, bei der niemand auf der Strecke bleibt. Hinzu kommt, dass trotz aller Erwartungen die Care-Arbeit, die wir leisten, kaum wertgeschätzt wird. Wen wundert es angesichts dessen, dass Mütter so häufig erschöpft und unzufrieden sind?

Dein eigenes Bild von Mutterschaft

Es ist nicht möglich, sich den Erwartungen komplett zu entziehen, die eigene Prägung von heute auf morgen zu ignorieren und aus dem System einfach auszubrechen. Aber es hilft, sich Folgendes bewusst zu machen: Dieses Ideal, dem wir so häufig versuchen gerecht zu werden, ist ein Konstrukt , eine moralische Bewertung, ein historisch gewachsenes und aufgeblähtes Ungetüm – dem wir unser eigenes Bild von Mutterschaft entgegensetzen dürfen. Wie möchtest du deine Mutterrolle gestalten? Wir haben genug ökonomische, biologische und soziale Zwänge. Lassen wir uns nicht auch noch vorschreiben, wie wir unsere Mutterschaft leben sollen. Sondern setzen wir dem Schritt für Schritt eigene Bilder entgegen, eigene Lebensentwürfe, eigene Träume. Dann werden wir auch Schritt für Schritt glücklicher in unserer Rolle.

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